• Viele Probleme erkannt, aber wenig Lösungsansätze parat

    128. Deutscher Ärztetag - auch Minister Karl Lauterbach wählt den konzilianten Weg
    08.Mai 2024
    Traditionell spricht der amtierende Bundesgesundheitsminister bei der Eröffnung des Deutschen Ärztetags. Traditionell geht es dabei mitunter ruppig zu. Nicht so in diesem Jahr. Konzilianz herrschte vor. Lauterbach brachte keine Neuigkeiten oder Lösungsansätze mit. Alles Gesagte hatte man von ihm schon mal gehört. Selten war das Aufeinandertreffen mit den gewählten Vertretern der deutschen Ärzteschaft so einträchtig wie in diesem Jahr beim 128. Deutschen Ärztetag in Mainz. Manche Delegierten schüttelten verständnislos ihren Kopf.
    Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. med. Karl Lauterbach
    Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. med. Karl Lauterbach

    „Wir können es uns gar nicht leisten, nicht miteinander zu reden“, betonte Karl Lauterbach eingangs. Der Sozialdemokrat warb im weiteren Verlauf seiner Rede für seine Gesetzesinitiativen und beschrieb vornehmlich - vorbei an aller Kritik – nur den Ist-Zustand des deutschen Gesundheitswesens. Der Minister räumte immerhin ein, nicht nur Versäumnisse in seinem Regierungsamt geerbt, sondern an deren Entstehung als Gesundheitspolitiker in der Vergangenheit mitgewirkt zu haben.

    Wie steht es wirklich um die Gesprächsbereitschaft zwischen den Leistungsträgern und den Gesundheitspolitikern in Berlin? Mitunter scheint es völlig divergierende Wahrnehmungen der Realität zu geben, denn nahezu täglich beklagen Ärztekammern und sonstige Ärztevertreter in den vergangenen Wochen aus eigenen Erfahrungen, dass ihr ärztlicher Sachverstand bewusst vom Bundesgesundheitsministerium ignoriert wird und in Berlin sogar regelrecht als „störend“ empfunden wird.

    Eingangs suchte Lauterbach den Schulterschluss, bedankte sich, dass die Ärzteschaft „geschlossen gegen die inneren Feinde der Demokratie zu stehen“. Die Ärzteschaft sei eingeladen, an der Gestaltung der Zeitenwende teilzunehmen.

    Verantwortung für Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitswesen versuchte Karl Lauterbach breit zu verteilen: Es werde zu viel stationär versorgt. „50 Prozent der Patienten in Kliniken, könnten bei optimalen Bedingungen, ambulant versorgt werden. Wir haben zugelassen, dass die Krankenhäuser viel zu stark unter ökonomischen Zwängen stehen."

    In besondere Verantwortung nahm Lauterbach Chefärzte, die in persönlichen Abreden mit Klinikleitungen Vereinbarungen träfen, die nicht rein medizinisch, sondern eher gewinnorientiert seien. „Es ist unethisch, so zu praktizieren.“

    Lauterbach versprach wenig später, die Regeln für investorengetriebene MVZ zu ändern. „Diese Art der Profitgier wollen wir nicht zulassen. Das werden wir verhindern.“ Immerhin die seit Jahren wiederholte ärztliche Kritik diesbezüglich wurde schon wahrgenommen.

    Kleine Kliniken bedürften des Schutzes vor Insolvenzen, betonte Lauterbach. „50 Prozent der Kliniken habe weniger als 170 Betten. Dort, wo man diese Kliniken benötigt, müssen die Kliniken eine Existenzgarantie.“ Es sei nicht erträglich, dass solche Kliniken, Defizite erwirtschafteten. Sein Lösungsvorschlag: „Der Landesbasisfallwert muss so erhöht werden, dass die Inflation ausgeglichen wird.“ Einheitspauschalen oder Rosinenpickerei werde der Situation nicht gerecht.

    Minister Lauterbach beklagte ferner, den enormen bürokratischen Aufwand, der in Kliniken mittlerweile betrieben werden müsse, den gewaltigen Rückstand von 20 Jahren bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen gegenüber anderen Staaten in Europa. Auch bei der Lebenserwartung sei Deutschland Schlusslicht beim Vergleich von 16 Nationen. Selbst im Bereich der klinischen Forschung wurde der Standort Deutschland weit abgehängt. Wie dieser beklagenswerte Zustand verbessert werden könnte? Hier vermissten die Zuhörer kluge Ideen. Kein einziges Wort des Ministers war dazu zu hören. Regieren heißt führen.

    Lauterbach ging auf den Praxisschock der Berufsanfänger ein: „Wir müssen den Idealismus, mit dem Medizinstudenten beginnen, auch in der Weiterbildung zum Facharzt fühlbar und erlebbar gestalten.“ Unerlässlich war für ihn der Hinweis auf die fehlenden Studienplätze.

    „In zehn Jahren werden uns 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen, die wir nicht ausgebildet haben. Wir scheuen die Investitionen in Deutschland und ziehen Ärztinnen und Ärzte aus anderen Ländern ab, wo sie ebenfalls dringend gebraucht werden. Das ist nicht ethisch. Das zu ändern, wird kosten. Wir sind zum Gelingen verurteilt!“ Wie diese Veränderungen bewerkstelligt werden könnten, war jedoch ebenso wenig zu hören.